Der Confirmation Bias – das antiwissenschaftliche Arschloch in uns

Kein Gehirn, trotzdem verwirrend. Quelle: alice_photo via fotolia.com

Wie wir unsere Welt wahrnehmen, ist eine sehr subjektive Sache. Das lernt man im Laufe des Lebens, spätestens wenn man mal über einen Streit um eine völlige Belanglosigkeit einen Freund verliert oder gar – gerne während der Pubertät oder am Stammtisch mit drei Nazis – am Verstand der kompletten Menschheit zweifelt. Unser Gehirn ist ein ziemlich unglaubliches Organ, man ist fast versucht zu sagen: Wenn es nicht da wäre, man hätte es erfinden müssen. Aber wie, ohne Gehirn?

Die Erforschung des Gehirns, aber auch die Erforschung seiner Nutzung durch uns steckt in vielen Punkten noch in den Kinderschuhen. Da wird in den nächsten Jahren, Jahrzehnten und vermutlich sogar Jahrhunderten noch einiges an Erfahrung dazukommen. Aber gewisse grundsätzliche Effekte der Psychologie haben die Menschen zumindest einmal schon entdeckt. Nicht vollständig erklärt, aber entdeckt. Unser Verhalten lässt sich mit vielen Mustern zumindest statistisch beschreiben, man hat da so einige identifiziert, die Grund genug sind, sich nicht immer vorschnell auf den vermeintlich „gesunden Menschenverstand“ zu verlassen. Kürzlich hier erwähnt wurde ja der Dunning-Kruger-Effekt, der zeigt, dass mensch sich nicht auf seine subjektiv empfundene Problemlösungskompetenz verlassen sollte, da sich die gefühlt sehr von der Realität unterscheidet.

Ein weiterer und vielleicht sogar bedeutenderer Fiesling unter den psychologischen Effekten ist der so genannte Confirmation Bias, oder auf deutsch: der Bestätigungsfehler.

Wir alle (der Autor dieses Textes miteingeschlossen) haben unsere Meinungen über Sachverhalte und eine individuelle Vorstellung von der Welt. Und wir fühlen uns wohl dabei, wenn wir recht haben mit dieser Meinung. Und da kommt der Confirmation Bias ins Spiel: Er sorgt dafür, dass wir Informationen unbewusst danach sortieren, ob sie unserer Meinung entsprechen. Wir suchen intensiver nach zustimmenden Meinungen und wir nehmen bestätigende Informationen mehr zur Kenntnis und blenden unliebsame Ergebnisse bisweilen ganz aus. Ja, wir alle tun das. Ob wir mit unserer Ansicht richtig liegen oder nicht, ob unsere Gedanken intelligent oder völlig bescheuert sind: Wenn wir ein gewisses Ergebnis erwarten, sind wir der Bestätigung weit mehr zugeneigt als der Widerlegung unserer Theorie.

Und das ist ein ernsthaftes Problem. In unserem hierzulande eher harmlosen Alltag mag es ja vielleicht keine Rolle spielen, ob wir glauben, dass es wirklich der Vollmond ist, der uns nicht schlafen lässt. Wenn aber Wissenschaftler ihre Studien so anlegen, dass Fehler, die sie einfach nicht erwarten, gar nicht erst auftreten können, dann kann das zu folgenschweren Fehlentscheidungen führen. Und nicht anders verhält es sich in der Politik und der restlichen Gesellschaft. Man stelle sich nur mal einen Diktator vor, der von der Feindseligkeit des Nachbarlandes überzeugt ist und die diplomatischen Gesten von dort gedanklich stets beiseite schiebt!

Witzigerweise ist der Confirmation Bias damit ein Opfer seiner selbst: Denn niemand mag ihn, niemand will ihn anerkennen, wir alle sind schließlich sicher, unsere Überzeugungen rational erworben zu haben … aber: oh, wait. 😉

Es ist wichtig, sowas zu wissen. Wie viel mehr schädliche Medizin wäre beispielsweise zugelassen worden, deren Studiendesign nicht die Problematik der Überzeugung der erfolgsorientierten Wissenschaftler miteinbezogen hätte? Und dabei ist niemand dumm, dem solche Fehler unterlaufen. Unser Gehirn ist nunmal evolutionär darauf getrimmt, uns selbst als Einzelorganismus die höchste Überlebenschance zu bieten – und da gehört ein gesunder Geisteszustand mit möglichst wenig Zweifeln an der eigenen Zurechnungsfähigkeit eben dazu. Wir als moderne Menschen mit zusätzlichen moralischen Werten in komplexen sozialen Zusammenhängen haben der Evolution einfach noch nicht genug Zeit gegeben, uns von dieser Altlast zu befreien. Und so wirksam, wie der Confirmation Bias unsere Interaktionen bis heute prägt, wird es wohl auch noch eine ganze Weile dauern, bis das hinter uns (also hinter unseren Ur-ur-[…]-ur-Ahnen) liegen wird.

Deswegen kann man derzeit nur an unser aller Verstand appellieren, diesen Fehler explizit in unsere Überlegungen einzubeziehen, auch mal unbequem zu denken, dahin zu gehen, wo es weh tut. Und eben im Zweifel mehr einer kontrollierten und einsehbaren Studie zu vertrauen als seinem eigenen Gefühl. Dem antiwisschenschaftlichen Arschloch in uns werden wir trotzdem oft genug in kleinem Rahmen recht geben, keine Sorge …

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Best%C3%A4tigungsfehler

http://scienceblogs.de/geograffitico/2014/07/09/mal-wieder-der-vollmond-und-die-schlafprobleme/

http://scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2014/09/30/kann-ich-meinem-hirn-trauen/

Eigene Erfahrung 😉

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