Der „Homöopathiestreit“ in der RNZ

Die Liebe zur Homöopathie verwelkt bisweilen schnell. Quelle: Sash

Die Liebe zur Homöopathie verwelkt bisweilen schnell. Quelle: Sash

Natalie Grams rüttelt gerade an den Grundfesten eines ganzen Glaubensspektrums. Die Ärztin führte eine erfolgreiche homöopathische Privatpraxis und wollte über die Heilmethode ihrer Wahl ein Buch schreiben. Und das hat sie. Was ihr während der Arbeitszeit an diesem Buch in den Weg kam, war die Erkenntnis, dass Homöopathie nicht wirklich so funktioniert, wie sie das alle Jahre geglaubt hatte. Sie stieß bei ihrer Nachforschung nicht nur darauf, dass die Erfolge, die sie selbst hatte, wohl nur Placebo-Effekte gewesen waren; sie merkte im Rahmen ihres intensiven Nachforschens auch, dass es dazu tatsächlich reichlich Studien gibt und die Homöopathie schon in ihren Grundannahmen eklatant gegen die gemeinhin akzeptierten Naturgesetze verstößt.

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Dann tat sie etwas homöopathieuntypisches: Sie schluckte ihre Bedenken nicht verdünnt und geschüttelt herunter, sondern schrieb ein anderes Buch als gedacht, eines, in dem sie ihre Abwendung von der Homöopathie begründete und schloss zudem sogar ihre Praxis. Es bleibt einem eigentlich nur, mit offenem Mund ein überaus ehrliches und doch total unzureichendes „Wow!“ zu flüstern, in Anbetracht so viel konsequenten Handelns.
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Infolge des Wirbels um die Buchveröffentlichung gab sie der Rhein-Neckar-Zeitung ein Interview, in dem sie offenlegt, wie schwer ihr das gefallen ist; dass die Anerkenntnis der Nichtwirksamkeit homöopathischer Medikation aber alternativlos war. Nun möchte sie sich mehr der Psychosomatik und Psychotherapie widmen, wo sie die eigentlichen Ursachen für die vermeintlichen Erfolge der Homöopathie vermutet. Abermals: Chapeau! Eine Medizinerin, die zum Wohle der Patienten eigene Überzeugungen über Bord wirft und sich neuen Faktenlagen stellt, da könnten sich einige eine Scheibe von abschneiden!

Nun ist die Rhein-Neckar-Zeitung natürlich nicht so wahnsinnig, einer Ärztin im Einklang mit der wissenschaftlichen Erkenntnis einfach einen Eintrag zu widmen. Bereits zwei Tage später besinnt sie sich ihrer vermeintlichen Pflicht zur Ausgewogenheit* und veröffentlicht eine Art Gegenartikel eines Dr. Michael Hadulla, der früher Mediziner war, heute Homöopath ist und „mit aller Hochachtung“ (!) den Begriff „Schulmedizin“ betonen muss, wenn er über Wissensgrenzen referiert. Betitelt wird das schnell mit „Streit um die Homöopathie„.

Argumentativ wird’s dann eher dünn und lustig, denn Hadulla fügt 7 Punkte an, die ich hier mal schnell in ihrem Kerngehalt zusammenfasse:

  1. Es gibt auch bei richtiger Medizin Placebo- und Nocebo-Effekte.
  2. Altes Wissen ist nicht immer schlecht.
  3. Ja, es gibt keine wisschenschaftliche Erklärung für Homöopathie. Für Psychosomatik aber auch nicht.
  4. Ja, es existieren keine Studien. Aber so was ähnliches, was zumindest mal nett klingt.
  5. Natürlich kann die Homöopathie nicht alles. Andere aber auch nicht, ällabätsch!
  6. Wir bringen niemanden direkt um, weil unsere Medis keine Wirkung haben.
  7. Im medizinischen Lehrbetrieb ist alles voll schlimm, deswegen kann man auch mal was völlig anderes versuchen.

Da hätte man ja schon als Laie ein paar Anmerkungen zu machen. Z.B. so:

  1. Ja. Aber eben nicht nur.
  2. Ja, aber auch nicht per se sinnvoll. Fortschritt und so.
  3. Falsch. Zudem: Ich kann mir auch noch was ausdenken, was keinen Sinn gibt. Und dann? Eben …
  4. Wenn ich meiner Oma glaube, war Polen schuld am zweiten Weltkrieg. Ist auch eine Einzelfallstudie.
  5. Alles hat Grenzen. Ist wahr, sagt aber nix über einzelne Verfahren aus.
  6. Na gut, indirekte Tötungen durch unterlassene Hilfeleistungen sind ja auch nur mittelschlimm.
  7. Mein Mathelehrer war auch doof, deswegen ist 1+1 trotzdem bis heute nicht 5. Und das prangere ich an!

Ein wenig seriöser und mit deutlich mehr Geduld hat die Autorin Dr. Grams letzten Endes selbst direkt unter dem Artikel von Hadulla kommentiert. Zudem bloggt sie inzwischen auch unter dem Label „Homöopathie neu gedacht„. Eine schreibende Ex-Homöopathin ist vermutlich das Beste, was der festgefahrenen Debatte um dieses vermeintlich so natürliche und sanfte Verfahren hierzulande passieren konnte.

*Die Problematik falsch verstandener Ausgewogenheit der Berichterstattung, die bei vielen Themen dazu führt, dass zu Recht ignorierte Spinner die selbe Medien-Plattform bekommen, wie Wissenschaftler, die ihre Forschungen auch untermauern können, hat John Oliver 2014 in „Last Week Tonight“ hervorragend persifliert. Hier der Link zu Youtube.

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