Alles Elektro, oder was?

Der Himmel: Immer unter Strom! Quelle: Sash

Der Himmel: Immer unter Strom! Quelle: Sash

Florian Freistetter hat mich derletzt in seinem (absolut lesenswerten!) Blog „Astrodicticum Simplex“ auf etwas aufmerksam gemacht, das mir tatsächlich all die Jahre entgangen war, die ich mich mit Wissenschaft, Astronomie UND Bullshit gleichermaßen beschäftige: Die Theorie des „elektrischen Universums“.

Im Grunde empfehle ich Euch vor allem, Freistetters Artikel zu lesen: Er erklärt eigentlich alles bestens (siehe Quellen). Ich wollte aber einen interessanten Punkt aufgreifen, der meines Erachtens nach in vielen Diskussionen zu sehr vielen Themen oft zu kurz kommt: Nämlich wie schwer sich all die Erfinder wahrhaft revolutionärer Ideen damit tun, Dinge zu erklären. Die Theorie vom elektrischen Universum besagt zum Beispiel (stark vereinfacht), dass im Kosmos die Elektrizität die Hauptrolle spiele. Sterne seien „elektrische Transformatoren“ und nicht etwa wie von Wissenschaftlern behauptet große Gasbälle, die ihre Energie aus nuklearen Prozessen gewinnen. Und nicht nur das: Es gibt auch keine Gravitation! Alles elektrische Wechselwirkungen zwischen Sternen und Galaxien.

Nun kann man so eine These sicher eine Weile ausdehnen und dieses oder jenes Phänomen damit erklären, so lange man ihm nicht allzu nahe kommt. „Es ist alles ganz anders als alle anderen sagen!“ ist (inklusive einiger Abwandlungen) eine beliebte Aussage in Esoteriker- oder Pseudowissenschaftlerkreisen. Das Problem daran ist: Es ist ja nicht so, dass das derzeitige Standardmodell irgendwie von ein paar führenden Wissenschaftlern beschlossen wurde. Oder dass alle blind Einstein vertrauen und hoffen, dass es passt. Vor ein paar hundert Jahren hätte man diese Elektrouniversumstheorie ganz gut bringen können, wo es nur darum ging, zu erklären, wieso sich die Lichter am Himmel wie bewegen. Aber inzwischen haben die Menschen selbst zum Beispiel Raumsonden gebaut, die jahrelang ihrer Bahn folgen, die von Leuten berechnet wurde, die dafür die aktuellsten Modelle der Gravitation verwendet haben – und seit einem Jahrhundert verrät uns die Spektroskopie, aus welchen Elementen ferne Himmelskörper bestehen.

Das wissenschaftliche Weltbild setzt sich ja nicht aus zwei Formeln zusammen, die man einfach mal halbwegs verlustfrei durch andere ersetzen kann. Die einfachen Antworten von Pseudowissenschaftlern werfen in Wahrheit viel mehr Fragen auf, als sie beantworten. Ohne mich tiefer in die Materie eingelesen zu haben, vermute ich stark, dass die Vertreter des elektrischen Universums zum Beispiel keine Erklärung für relativistische Effekte haben, für Vorgänge auf der Quantenebene oder auch nur für die Tatsache, dass wir hier auf der Erde auch Gravitation erfahren, ohne dass wir ständig unter Strom stehen.

Und ich wäre der erste, der sich freuen würde, wenn wir während meiner Lebenszeit die Entdeckung einer Sensation mitverfolgen könnten, die beispielsweise so revolutionär wie Einsteins Relativitätstheorie ist. Aber wir haben Sommer 2015 und in drei Wochen werden wir erstmals Nahaufnahmen des ehemaligen Planeten Pluto zu sehen bekommen. Von einer Raumsonde, die seit neuneinhalb Jahren dorthin unterwegs ist. Losgeschickt von Leuten, denen ein elektrisches Universum garantiert schon längst die Tour vermasselt hätte. Und das ist wie gesagt nur eine der unfassbar vielen Hinweise darauf, dass es gar nicht so falsch ist, was bisher erforscht wurde.

Quellen:

Astrodicticum Simplex – Das elektrische Universum: Eine revolutionäre neue Kosmologie?
Wikipedia – Spektroskopie
Wikipedia – New Horizons

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