Der Zeitreisende in Kanada
|Ich will ehrlich bleiben: Dieser Artikel verbleibt weitestgehend bei Spekulationen und Gedanken. Aber auch wenn Beweise natürlich stets wichtig sind, hilft es bei manchen Themen einfach mal das kritische Denken selbst auszuformulieren. Es geht um folgendes Foto:
Das Bild wird im Internet als gruselig, unheimlich und mysteriös verbreitet, noch dazu als Beweis so mancher Verschwörungstheorie. Warum? Nun ja, wir sehen auf dem Bild, das wohl nachweislich 1941 (manche Seiten behaupten 1940, aber das ist falsch) aufgenommen wurde: Ein junger Mann trägt einen im Vergleich zum Rest der abgebildeten Leute seltsamen Haarschnitt, eine seltsame Sonnenbrille und seltsame Klamotten. Er wirkt sehr modern. Heute, 2015. Eine tragbare Kamera scheint er zudem auch noch zu halten. Also was nun? Ein Zeitreisender, ganz klar!
Ähm. Eher nicht.
Das Foto ist in Museumsbesitz und zeigt einen Ausschnitt des Publikums der Wiedereröffnung der South Fork Bridge in Kanada. Und ja, der Typ könnte als Besucher eines Nirvana-Konzertes durchgehen … oh, wait, die sind ja auch schon 20 Jahre lang Geschichte.
Ohne allzu tief zu graben, erfährt man schon bei Wikipedia, dass die futuristisch anmutende Sonnenbrille so oder so ähnlich schon seit den 1920ern verkauft wird. Ebenso, dass das vermeintlich moderne „T-Shirt“ auch einfach ein zeitgenössisches Eishockey-Trikot gewesen sein könnte und die „Kamera“ könnte dank der schlechten Bildqualität so ziemlich alles sein, im Zweifelsfall eine Gürtelschnalle.
Man kann das unzureichend finden und sich fragen: Was macht der Hipster da im Jahr 1941?
Und nun beginne ich wie versprochen zu schwafeln …
Zum einen fällt der Mann insbesondere deswegen auf, weil sich die anderen (deutlich älteren) Leute auf dem Bild deutlich in Schale geworfen haben. Auch 1941 werden nicht alle Männer immer und überall einen gut sitzenden Anzug getragen haben. Unser Bild dieser Epoche ist sicher durch z.B. Filme in der Zeit beeinflusst – es gab sicher auch da eine „Gegenbewegung“.
Die Frisur des Mannes mag uns irritieren, aber im kommenden Jahrzehnt war Rock’n‘ Roll mit Tolle die Wahl, dann kamen weitverbreitet die Hippies, später als Gegenbewegung die Skinheads und außerdem die Punks. Zu glauben, dass all diese Bewegungen keine Vorbilder oder Vorreiter hatten, ist eigentlich anmaßend.
Die bestechendsten Argumente betreffen jedoch die Zeitreise an sich:
Erstens: Der bisherige Stand der Wissenschaft ist, dass Zeitreisen unmöglich sind. Selbst wenn das falsch sein sollte: Wie kann sich ein Zeitreisender so dermaßen vertun und sich nicht unauffällig in das damals aktuelle Zeitgeschehen einfügen? Das sollte bei Zeitreisen ja nun das kleinste Problem sein.
Zweitens: Wieso – und das ist eine Frage, die an alle rausgeht, die sich irgendwie mit dem Thema „Zeitreisen“ beschäftigen – sollte ein Zeitreisender sich damit aufhalten, einer Brücken-Wiedereröffnung beizuwohnen?
Egal von welcher Seite aus man es angeht: Am Ende scheint das Wahrscheinlichste zu sein, dass der Typ auf dem Foto halt einen seltsamen Klamottengeschmack hatte. Aber würde man das nicht auch den Punks der 1980er zugestehen, obwohl sie nun wirklich etwas seltsam wirkten in Hinblick auf die Gesellschaft? Oder sind das auch Zeitreisende?
Wenn er so außergewöhnlich wäre, warum ignorieren ihn dann alle bis auf das „Mädchen“ links, die ihn eher anschmachtet, als wäre er cool. Naja, vielleicht ist ja der Kasten in seiner Hand ein PAL-Feld-Generator.
Die Trikot-Hypothese finde ich plausibel, da das Teil einen weiten Kragen hat und über einem anderen Shirt getragen wird.
Vielleicht wollte er von der Brücke springen, um das Zeitloch zu nutzen, dass ihn in seine Zeit zurückbringt *g*. (Man sollte den Film Kate & Leopold kennen, dann weiß man solche Dinge 😀 )