Zu doof, um zu merken, wie doof man ist? Stimmt.
|Die Geschichte des Dunning-Kruger-Effektes
Sprichwörtlich sind sie ja: all die anderen, die so blöd sind, dass sie nicht einmal merken, wenn sie falsch liegen und um so beharrlicher in ihren Überzeugungen sind. Aber ist da was dran, gibt es sowas wirklich?
Offenbar ja. Aber wie die meisten wissenschaftlichen Erkenntnisse, hat auch diese eine erzählenswerte Vorgeschichte. Diese Vorgeschichte handelt von einem Bankräuber namens McArthur Wheeler. Einem, so muss man anmerken, nur sehr begrenzt erfolgreichen Bankräuber. Dabei hat Wheeler 1995 mit seinen Komplizen gleich zwei Banken ausgeraubt und war sogar entkommen. Nur wurde er leider recht bald darauf gefasst – und das war nicht einer besonders bemerkenswerten Polizeiarbeit verschuldet, sondern Wheelers wohl recht einzigartiger Vermummungsidee.
Trotz Videoüberwachung in den Banken trug er nämlich keine Maske, keine Strumpfhose oder etwas vergleichbares. Nein, Wheeler hatte sich das Gesicht mit Zitronensaft überschüttet, weil er dachte, der würde ihn unsichtbar machen.
OK, nun muss man trotz des Zwerchfelljuckens eingestehen, dass Wheeler zwar ganz offensichtlich nicht clever war, aber durchaus seine Gründe hatte. Er wusste, dass Zitronensaft als Geheimtinte verwendet werden kann, die erst beim Erhitzen wieder sichtbar wird. Daraus folgerte er, dass er mit kaltem Zitronensaft unsichtbar für die Kameras sei. Er soll sogar einen Test gemacht und sich selbst mit Saft fotografiert haben. Da das Foto sein Gesicht nicht zeigte (wohl ein Defekt der Kamera oder dergleichen), war er sich seiner Sache sicher genug. Was in gewisser Weise nachvollziehbar ist.
Natürlich hatte Wheeler sowohl Fehler in seiner Annahme gemacht, als auch bei der Testdurchführung. Selbst wenn kalter Zitronensaft auf Papier halbwegs unsichtbar ist, wäre die Tatsache, dass man das Papier noch sieht, Grund genug, die Theorie infragezustellen. Und ein einzelner Foto-Versuch kann eben aus vielen Gründen komische Ergebnisse liefern. Hätte er vorher einen seiner Komplizen gefragt „Bin ich unsichtbar?“, oder gar mehrere Fotoserien mit verschiedenen Kameras gemacht, wäre sein Name wohl nicht auf immer mit dieser unrühmlichen Episode verknüpft. Rein von der Sache war Wheeler wissenschaftlich etwa soweit, wie die Homöpathie heute mit ihrer Beweislage ist.
Die für die meisten außer Wheeler eher heitere Anekdote beflügelte das Interesse von David Dunning und Justin Kruger, die 1999 eine Studie zum Themenkomplex Inkompetenz und Selbstüberschätzung veröffentlichten, in der sie darlegten, dass es ein reales Phänomen ist, dass sich inkompetente Menschen eher selbst überschätzen und zudem die Kompetenz anderer eher geringer einschätzen als sie wirklich ist. Und darüber hinaus eben, dass man eigene Inkompetenz nicht unbedingt erkennen kann. Im verlinkten Artikel der New York Times taucht dann auch das inzwischen berühmte Dunning-Zitat auf:
„But when you’re incompetent, the skills you need to produce a right answer are exactly the skills you need to recognize what a right answer is.“
Die Fähigkeiten also, die man bräuchte, um die eigene Inkompetenz zu entlarven, sind genau die, die man für das Treffen einer kompetenteren Entscheidung gebraucht hätte. Eine Art Teufelskreis.
Dunning und Kruger wurden für ihre Forschung im Jahr 2000 mit dem Ig-Nobelpreis in Psychologie ausgezeichnet, was dem Thema wohl absolut gerecht wird. Der Ig-Nobelpreis ist zwar eine eher satirische Angelegenheit, aber die Arbeit von Dunning und Kruger tut genau das, was der Preis von den Preisträgern fordert: Menschen zuerst zum Lachen, dann zum Nachdenken bringen.
Quellen:
http://opinionator.blogs.nytimes.com/2010/06/20/the-anosognosics-dilemma-1/
Abgesehen von der offensichtlichen Unwirksamkeit dieser „Tarnung“ stelle ich es mir auch höchst unangenehm vor, mir das gesamte Gesicht mit Zitronensaft zu überschütten. Das brennt doch wie nix Gutes…
Und zum Kameratest: Vielleicht hat er ja ein Polaroidfoto gemacht und nicht lang genug gewartet. Würde zum Rest der Story passen 😀