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Monat: Februar 2003

Umgestaltung!

Umgestaltung!

Ja, manchmal sollte man ins Bett gehen, wenn einen die ersten Anzeichen für den schleichenden Gehirnzellen-Overkill überraschen. Aber leider funktioniert das dann oft nicht so wie man will und man bleibt noch ein wenig…

Doch, der Abend war gut. Eigentlich nur das übliche gemacht: Ein paar Leute getroffen, sich zusammen eine Lokalität ausgesucht und dann dem gemütlichen Umtrunk gefrönt. Dann kam es aber wie es kommen musste.

Jürgen von der Lippe hat das dereinst sehr gelungen beschrieben:

„Du beschließt, nach Hause zu gehen. Unmittelbar nachdem du rausgeflogen bist.“

Vielleicht hätte Juan doch nicht versuchen sollen, die ihm nahegelegte Umgestaltung seines persönlichen Umfeldes direkt am Tisch unserer Stammkneipe zu beginnen…

Es ist nun mal so, dass konservative Gastgeber geringfügige Probleme mit auseinandergestalteten Möbeln haben. Juans künstlerisch wertvolle Komposition „Stuhl im Fenster“ verfehlte ihre provokative Wirkung nicht. Allerdings folgte danach eine Form von Aktionskunst seitens des Wirts, die ich immer noch an meinem Rücken spüren kann. Er nannte es, glaube ich, „ihr haut ab“ oder so ähnlich.

Dann standen wir also auf der Straße, nachts um ein Uhr. Unser Zustand lässt sich mit „dezent alkoholisiert“ sehr treffend umschreiben. Wir beschlossen, es Juan gleichzutun und unsere nähere Umgebung ein wenig nach unseren Vorstellungen umzugestalten. Man sollte nie unterschätzen, was einfache Methoden bewirken können. Die Hauptverkehrsstraße zum Beispiel: Nie war sie wirklich ansehnlich, und vor allem ist nach wie vor einfach zu viel Verkehr. Weiße Sprühdosen (gehören in jeden Haushalt!) und Pylonen von der nächsten Baustelle können hier sehr einfache Abhilfe schaffen. Man braucht mit mehreren Pylonen nicht einmal ein Umleitungsschild, um den Verkehr auf kurzen Strecken komplett umzuleiten. Je eine Dreiergruppe an Ortseinfahrt und –ausfahrt, und so steht die provisorische Straßensperre in einer Minute. Im besten Fall reichen drei Pylonen, mehr sind immer gut. Sie erhöhen die psychologische Wirkung enorm. Denn merke: Baustellen sind immer rechtmäßig! Daran zweifelt der gute alte Otto Normalverkehrsteilnehmer nicht. Während der spärliche Verkehr nun direkt durch unsere kleinen Nebenstraßen floss, hatten wir die Zeit, uns mit der Parkplatznot in unseren Vierteln zu beschäftigen. Es war riskant, aber wir haben es geschafft, ein paar „ganz legale“ – weil eingezeichnete – Parkplätze zu schaffen. Ganz so perfekt wie die übrigen sahen sie nicht aus, dafür gab es jetzt auch extra Parkplätze für Kiffer und Enten. Na gut, ob die Symbole auch wirklich so deutlich zu erkennen waren, weiß ich nicht mit Sicherheit zu sagen. 10 Parkplätze auf der normalerweise ungenutzten Straßenseite sind so entstanden in dieser Nacht, darunter 2 Stück für Reisebusse über 15 Meter Länge. Mann, wir sind so gut! Wir hatten uns eigentlich noch vorgenommen mittels grauer Farbe die bisherige Fahrbahnmarkierung zu entfernen und durch eine, sagen wir mal „interessantere“ zu ersetzen. Aber das Malen auf öffentlichen Straßen ist wirklich nicht ungefährlich. Eigentlich sollte man es auch auf keinen Fall im eigenen Viertel machen. Wir hatten zwei Stunden mit Unterbrechungen gebraucht, um unsere Parkplatzdichte zu erhöhen, und irgendwie hatten wir dann auch keine große Lust mehr auf weitere Malereien. Wenn unsere Farbe noch gereicht hätte, hätten wir vielleicht noch einen Zebrastreifen in Zickzack-Form entworfen, aber da war nix mehr zu machen.

Vor ein paar Jahren kamen die Herren unserer Stadt auf die famose Idee, ein paar Blumenkübel mit Bäumchen an den Straßenrand zu stellen, und diese Heldentat als eine Erhöhung der Lebensqualität zu feiern. Zum einen war es das nicht wirklich, aber es ergaben sich so ganz neue Gestaltungsmöglichkeiten für uns.

Sehr ansehnlich waren diese dürren Bäumchen nie, also versuchten wir sie verkehrt herum einzusetzen. Wirklich schwer war diese Aktion nicht, aber wir haben festgestellt, dass das Ergebnis auch nicht sonderlich zufriedenstellend war. Die Methode eignet sich dafür ganz besonders, um Karotten-Beete umzugestalten. Das muss man einmal in seinem Leben gesehen haben: Ein umgekehrtes Karotten-Beet!

Aber nun zurück zum Ausgangspunkt: Die Bäume sahen wirklich fürchterlich aus mit ihren Wurzeln gen Himmel. Also wie sollten wir das Bild der Straße wirklich verbessern? Unsere Farbe war ja alle, also sie schwarz-rot anzumalen war nicht mehr drin. Die Blumenkübel selbst waren zu schwer, als dass man sie wirklich hätte bewegen können. Sehr schade im übrigen! Man hätte damit prima den Verkehr noch ein wenig weiter beruhigen können und den Parkplätzen (insbesondere den Kifferparkplätzen vor der Apotheke) ein bisschen mehr Authentizität beikommen lassen…

Wir beließen es beim Kippen der Bäume um etwa fünfundvierzig Grad gen Straße und zogen uns dann langsam zurück. Leider blieb eine Dokumentation dieser Aktion nur Utopie, da unsere einzige Kamera die Aktionskunst des Wirtes nicht überlebt hat.

Aber noch waren wir nicht am Ende! Die Nacht wollte zwar schon langsam weichen, aber die Jahreszeit schenkte uns eine wertvolle Stunde, die wir zu nutzen gedachten. Karl hat in seinen Jugendjahren einige Erfahrungen gesammelt, die uns an diesem Tag sehr nützlich waren. Um es kurz zu machen: Er hat früher Autos aufgebrochen. Diese Kunst zu perfektionieren lag immer schon in meinem Interesse, aber heute war Karl dabei, und er konnte das noch immer ohne große Zerstörungsorgie. Denn Zerstörung (oder gar Diebstahl) lag nicht im entferntesten in unserer Absicht. Wir hatten Leute im Visier, die versuchten, ihr Auto etwas persönlicher zu gestalten, indem sie sich spezielle Sitzbezüge oder Accessoires gönnen. Die interessante Frage – die wir bis heute nicht geklärt haben! – ist: Wie reagieren Autofahrer, wenn man die persönlichen Ausstattungen ihrer Fahrzeuge mit denen des Nachbarn tauscht. Seien es Kuscheltiere auf der Ablage, die plötzlich dem Hut eines Rentners weichen müssen, dunkelblaue Lenkradüberzüge, die sich plötzlich am Lenkrad eines alten Fiat Panda wiederfinden, durchgesessene Sitzbezüge aus alten VWs in neuen BMWs oder Duftbäumchen anstelle von Rosenkränzen. Wir sorgten dafür, dass die paar Autos, die Karl geräuschlos öffnen konnte, danach nicht mehr dieselben waren. Als kleinen Gag am Rande hinterließen wir an jedem elektrischen Fensterheber einen Aufkleber mit dem Hinweis „Außer Betrieb. Bei Benutzung Lebensgefahr!“ Die Kassetten in den Radios ersetzten wir entweder durch bessere Musik (Kastelruhter Spatzen gegen Slime tauschen macht echt Sinn!) oder durch absurde Sachen wie Psychologie-Hörbücher, Naturgeräusche oder eineinhalb Stunden Verkehrsfunk. Letzteres aufzunehmen ist echt eine traurige Arbeit, das soll mal erwähnt werden!

Ich muss daran denken, beim nächsten Mal ein paar „Fahranfänger“-Aufkleber mitzunehmen. Die Radios auszutauschen hätte auch noch Spaß gemacht, das steht außer Frage, aber leider war die Zeit echt zu knapp. Wir klemmten noch ein paar selbstgedruckte Handzettel an ein oder zwei Autos, auf denen folgende Zeilen standen:

Beim Öffnen der Fahrertür durchtrennen sie den roten Draht,

beim Öffnen der Beifahrertür den schwarzen.

Viel Glück!

Die Nacht war zwar dann sehr kurz, aber wir haben in den Folgemonaten in den Nachbargärten etliche Karotten gewendet, Kartoffeln das Tageslicht gezeigt, Kürbissen das unterirdische Leben schmackhaft gemacht und dafür gesorgt, dass in den folgenden Jahren auf den meisten Gräbern unserer Mitbürger Kresse und Kopfsalat wachsen. Das Efeu, dass inzwischen regelmäßig die örtlichen Kriegerdenkmäler überwuchert, wird leider oft zurückgeschnitten, so dass wir noch nicht rausfinden konnten, welche der Sorten am besten geeignet ist um ganze Gartenhäuser verschwinden zu lassen.

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt!